Wissen schafft Design: Das diskursive Format der DIPLOMAdesignDIALOGE als Begegnungsraum für eine soziale Denk- und Designarbeit.

Di., 20.05.2025 - 13:23 von , zuletzt bearbeitet am 21.05.2025 - 08:56
Verfasst von: Karina Michaelis, Produktdesignerin M.A.

 

Die DIPLOMA Hochschule lehnt Diskriminierung jeglicher Art ab und in ihrem Tun stehen die Student*innen im Mittelpunkt, mit dem Ziel, ihnen Brücken für ihren persönlichen Erfolg zu bauen. Darüber hinaus steht die DIPLOMA Hochschule und der Lehrkörper in der Verantwortung im Rahmen des Design-Curriculums des Fachbereiches Gestaltung und Medien, aktuelle Themen zu vertiefen sowie studienbereichsinterne außercurriculare Lehr- und Bildungsergänzungen anzubieten. Dazu gehören Themenfelder mit einer hohen gesellschaftlichen Relevanz und kultureller Intensität sowie kritische Diskurse, die das Spannungsfeld zwischen der Wissenschaft und der Praxis bedienen und inter- sowie multidsziplinäre Expertisen und dessen Schnittpunkte sichtbar machen.

Fachübergreifende Begegnungen und Diskurse in der kreativen Bildungslandschaft, sind der Schlüssel zu eigenverantwortlicher und menschengerechter sowie fairer Designarbeit.

Ziel der DIPLOMAdesignDIALOGE ist es, durch wissenschaftliche Vorträge zu gesellschaftlich relevanten Themen innerhalb des Semesters sowohl Student*innen als auch Dozent*innen für die Werte und Inhalte ihrer eigenen gestalterischen Praxis zu sensibilisieren. Das Format fördert die Reflexion über persönliche und ethische Verantwortung im Design und stärkt zugleich zentrale Schlüsselkompetenzen im Kontext einer zwischenmenschlich ausgerichteten Gestaltungspraxis. Die dialogisch angelegten Veranstaltungsreihen sollen dazu anregen zu hinterfragen, neue Perspektiven kennenzulernen und die eigene gestalterische Arbeit mit sozialen, kulturellen und ethischen Fragestellungen zu verknüpfen. Die erste Vortragsreihe fand im Wintersemester 2024/25 unter dem thematischen Schwerpunkt »Gender & Design« mit fünf Online-Vorträgen statt. Ausgangspunkt war die These von Daniel Meier und Karina Michaelis: »Gestalterische Fairness ist immer auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit«. Die Vorträge stießen auf reges Interesse. Die Teilnehmer*innenzahl lag zwischen 30 und 60 Personen. Im aktuellen Sommersemester 2025 wurde das Thema »Health & Design« aufgegriffen. Auch hier wird eine hohe Beteiligung von Interessent*innen aus verschiedenen Fachbereichen und Hochschulen erwartet. Ein durchgeführtes empirisches Feedback zur ersten Vortragsreihe hat Einblicke in die Motivation der Teilnehmer*innen geben: Was bewegt Interessent*innen zur Teilnahme? In welchem Maße stoßen gesellschaftlich-kritische Designformate auf Resonanz? Sollte die DIPLOMA Hochschule künftig mehr Angebote zu sozial relevanten Themen machen? Diese und weitere Fragen wurden in einer Kurzumfrage erhoben. Lässt sich das Konzept der DIPLOMAdesignDIALOGE als forschungsbasierte, gestalterische Lehr- und Lerntwicklung verstehen und als wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen der Hochschullehre einordnen?

 

Gender & Design und Health & Design: Bezugsrahmen der ersten Semesterthemen zur Designforschung 

Ein Bezugsrahmen für die Vortragsreihe DIPLOMAdesignDIALOGE bildet die Verknüpfung zwischen aktueller Designforschung, gesellschaftlichen Fragestellungen und der gestalterischen Praxis von Designschaffenden. Dabei wird der Fokus auf interdisziplinäre Perspektiven gelegt, um Design als ein Werkzeug für gesellschaftliche Veränderung und Innovation zu verstehen. Themen wie »Gender & Design« oder »Health & Design« veranschaulichen, wie gestalterische Entscheidungen auf kulturelle, soziale und individuelle Aspekte wirken. Folgend werden beide Themen etwas deutlicher hervorgehoben:

Gender Design beschäftigt sich, wie der Name bereits andeutet, mit der gesellschaftlichen und gestalterischen Auseinandersetzung mit dem Geschlecht. Beispielhaft sind Gestaltungselemente wie Form oder Farbe, die oft stereotypisch für ein spezielles Geschlecht verwendet werden. Typisch: Rosa = weiblich, Blau = männlich. Dieses Schubladendenken machte es einfacher, die Produkte zu verkaufen. Mit der Zeit prägten sich diese Farbzuweisungen ein und beeinflussen seitdem Menschen in ihrer Wahrnehmung. Es wird Zeit diese Stereotype aufzubrechen. Und Geschlecht nicht nur als „weiblich“ und „männlich“ zu sehen. Denn Geschlechter sind vielseitig und sollten auch so wahrgenommen werden.  Darüber hinaus ist der Gender Pay Gap, männliche Führungskräfte in Agenturen und Wissenschaft vs. deutlicher Frauenüberschuss im Studium, ein Thema.

Die Forschungsarbeit »Jenseits der Gläsernen Decke. Professorinnen zwischen Anerkennung und Marginalisierung« untersucht die Situation von Professorinnen, die formal die sogenannte »gläserne Decke« durchbrochen haben, jedoch weiterhin geschlechtsspezifischen  Herausforderungen begegnen. Dieses Verbundprojekt der Technischen Universität Darmstadt und der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, geleitet von Prof. Dr. Tanja Paulitz und Prof. Dr. Leonie Wagner, wurde vom  Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Prof. Der Vortrag von Dr. Leonie Wagner, der im Rahmen der DIPLOMAdesignDIALOGE am 24. März 2025 stattfand, hat klar die Ungleichheit im Designbereich auf akademischer Ebene aufgezeigt. Speziell die  Interviews und Rückmeldungen der Studien waren erschreckend und lehrreich zugleich. Dieser Vortrag hat die Teilnehmer*innen bewegt. Eine Studentin an der DIPLOMA Hochschule aus dem Studienbereich der angewandten Gesundheits- und Therapiewissenschaften, konnte  die Informationen für die eigene Arbeit gut nutzen:

» […] ich habe gestern Abend an diesem wunderbaren Vortrag von Frau Professor Dr. Leonie Wagner teilgenommen und möchte mich nochmal ausdrücklich […] bei dem gesamten Fachbereich für die Organisation bedanken. […] Was für eine Bereicherung war dieser Vortrag  bitte! Derzeit bin ich mit der Nachbereitung und Literaturrecherche, Dank der Transparenz durch Teilen der Handreichung und der Materialliste möglich, beschäftigt und so langsam formt sich die Mindmap meiner Masterthesis.«

Ein zentrales Anliegen im Design ist der Umgang mit genderneutralem Themen und dessen Entwicklung. Dazu zählt nicht nur die Kompetenz, inklusive Sprache zu nutzen und alle Geschlechter gleichwertig anzusprechen, sondern auch die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten im Design sichtbar zu machen. Designschaffende, Designstudent*innen und Pädagog*innen tragen eine besondere Verantwortung, da alles Gestaltete Menschen in ihrem Denken und Handeln beeinflusst.

Gesundheit und Design scheinen auf den ersten Blick zwei unterschiedliche Bereiche zu sein. Doch tatsächlich spielt Gestaltung eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden, die Prävention von Krankheiten und die Schaffung gesundheitsfördernder Umgebungen. Ob im öffentlichen Raum, in Produkten des Alltags oder in digitalen Anwendungen. Design beeinflusst, wie wir uns fühlen, wie wir interagieren und wie wir leben. Ein gut gestaltetes Umfeld kann Stress reduzieren, Heilungsprozesse unterstützen, Barrieren abbauen und die Lebensqualität insgesamt steigern. Besonders im Gesundheitsbereich wird deutlich, wie wichtig durchdachtes Design ist. Healing Environments, also heilungsfördernde Räume u.a. Pflegeeinrichtungen, schaffen eine Atmosphäre, die sich positiv auf Patient*innen auswirkt. Auch digitale Gesundheitslösungen, wie benutzungsfreundliche Apps für u.a. mentale Gesundheit, helfen dabei, eine bessere Versorgung für alle zu gewährleisten. Doch während viele Designlösungen für den Anfang des Lebens existieren, von Babyprodukten bis hin zu kinderfreundlichen Umgebungen, wird das Lebensende oft vernachlässigt. Die Frage, wie Menschen in Würde altern und sterben können, ist ein essenzieller Bestandteil von Health & Design. Nachhaltige Bestattungsformen oder digitale Erinnerungskulturen helfen, den Abschied bewusster zu gestalten. Auch Hilfsmittel für Sterbende tragen dazu bei, die letzte Lebensphase so angenehm und menschenwürdig wie möglich zu machen.

Der Vortrag unserer Alumna Emilie Paeth M.A. mit dem Titel Empathy Design – Design als wichtiger Beitrag zur Sensibilisierung und Heilung schambesetzter Themen verdeutlichte am 06.05.2025 eindrucksvoll, wie Designprozesse zur Auseinandersetzung mit sensiblen Themen wie Vaginismus und persönlichen Herausforderungen beitragen können. Am Beispiel ihrer Masterarbeit Femdy – Eine Unterstützungsmaßnahme für Vaginismus-Patient:innen zeigte sie, wie empathische Gestaltungsansätze, die enge Zusammenarbeit mit Expert*innen und Betroffenen sowie ein bewusster Einsatz von Design die Selbstexploration und Heilung von Nutzer*innen unterstützen können. Besonders die Fragen der Teilnehmenden richteten sich auf den Umgang mit eigenen Erfahrungen im Rahmen einer Abschlussarbeit. Gerade im Kontext sensibler Themenfelder. Eine Teilnehmerin formulierte es treffend:

»Der Vortrag hat mir die Augen geöffnet und Mut gemacht, auch unausgesprochene Themen in die eigene Arbeit mit einzubeziehen und bewusster damit umzugehen. Immer habe ich versucht Normthemen, die leicht zu verstehen sind, umzustezen. Nun wurde ich eines besseren belehrt. Es geht nicht darum mitzuschwimmen, sondern gegen den Strom zu arbeiten.«

Die Verbindung von Design und Gesundheit gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Designer*innen tragen eine Verantwortung dafür. Denn gutes Design ist mehr als nur Form. Es kann aktiv zur Gesundheit, zur Würde des Menschen und zu einem respektvollen Umgang mit dem Leben und dem Sterben beitragen.

 

Virtuell, sensibel, impulsgebend: Die wichtigsten Resultate der Umgfrage

Die DIPLOMA Hochschule ist eine Fernhochschule und Online-Vorträge an gestalterischen Hochschulen bieten den Vorteil einer ortsunabhängige Teilnahme. Die Zielgruppen umfassen Student*innen, Dozent*innen, Designschaffende sowie externe Expert*innen aus den Bereichen Design, Medien und angrenzenden Disziplinen wie Pädagogik, Psychologie, Technik und Gesundheit und Soziales. Ebenso richtet sich die Reihe an eine interessierte Öffentlichkeit, die sich mit der Verbindung von Gestaltung, Wissenschaft und gesellschaftlicher Verantwortung auseinandersetzen möchte. Im Rahmen der Vortragsreihe DIPLOMAdesignDIALOGE wird großer Wert auf eine respektvolle Interaktion zwischen den Teilnehmenden gelegt. Das ist uns als Intiator*innen sehr wichtig, da sensible Themen besprochen werden und die Speaker*innen und Teilnehmer*innen geschützt werden sollen. Auch hier ist das Konzept der »Wertschätzung« bei den Teilnehmer*innen angekommen:

»Ich bin sehr dankbar für so viel Input, auch für die wertschätzende Kommunikation, die uns alle durch den Abend getragen hat.«

Thematisch erhalten Student*innen die Möglichkeit, neue Perspektiven auf Designthemen kennenzulernen und kritisch zu reflektieren. Lehrende steuern ihre fachliche Expertise bei. Daniel Meier und Karina Michaelis als Verantwortliche für diese Reihe moderieren den Dialog. Gastvortragende aus Wissenschaft, Praxis oder Kunst bereichern die Vortragsreihe mit spezifischen Einblicken und inspirierenden Impulsen. Forschende tragen aktuelle Erkenntnisse bei, während Praxispartner*innen ihre Erfahrungen und Herausforderungen aus der beruflichen Realität einbringen. Um unterschiedliche Einzelperspektiven in einen produktiven Dialog zu überführen, wird eine Kombination aus interaktiven und moderierten Formaten eingesetzt. Impulsvorträge schaffen eine fundierte Wissensgrundlage, die durch Diskussionsrunden und Q&A-Sessions vertieft wird, in denen Raum für Fragen und Reflexionen gegeben ist. Ein Medienverzeichnis mit Literatur-, -Film sowie Podcast Tipps wird den Teilnehmenden nach der Veranstaltung zur Verfügung gestellt. Durch diese Methoden entsteht ein dynamischer Wissensaustausch, der Theorie und Praxis miteinander verbindet und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteur*innen gezielt fördert.

Die Umfrage wird in diesem Text nur angerissen. Die Ergebnisse werden im Laufe des Jahres 2025 in einem Beitrag für den geplanten Sammelband von Prof. Dr. Andreas Ken Lanig und Prof. Dr. Thomas Hanstein dokumentiert.  Es wurden 200 Teilnehmer*innen befragt. 25 Antworten konnten wir für diese erste Studie als eine repräsentative innerhochschulische Tendenz einholen. Zu den Hauptgründen für die Teilnahme zählen die Expertise der eingeladenen Speaker*innen (48,3 %), Inspiration für das eigene Studium (41,7 %) sowie die persönliche Relevanz der behandelten Themen (33,3 %). Diese Ergebnisse verdeutlichen den Bedarf an vertiefender, kontextbezogener Auseinandersetzung mit Designthemen, die nicht immer der Norm entsprechen und das Soziale in den Vordergrund des Interesses rückt. Das zeigt sich beispielsweise bei dem Vortrag von Emilie Paeth. Hier geht es das stark scharmbehaftete Thema des Vaginismus. Eine Studentin äußerte Zweifel an diesem Vortrag und fragte sich »Was bringt mir das?«. Diese Frage zeigt wunderbar auf, wie unsicher Designstudierende hinsichtlich sozial-kritischer Themen noch sind. Nach unserer Erklärung, dass es sich die Inter- und Transdisziplinärität des Designs handelt und die Meta-Kognition (Diskussion, verschiedene Standpunkte, Argumentation, Bezug zur Anwendung) gefördert wird, hat sich die Studentin dem Thema angenähert:

»Ich würde [mich] gerne wertschätzend dem Thema durch meine Teilnahme an dem Vortrag nähern. Es ist mir vielleicht fremd, aber ich höre gerne zu und versuche zu verstehen. Für mich ist diese Reihe an sich sehr bereichernd und besonders […].«

Darüber hinaus haben nahezu 100 % der Teilnehmenden bestätigten, dass das diskursive Format ihre Kommunikationsfähigkeit, ihr kritisches Denken sowie ihre fachliche Reflexionskompetenz gestärkt habe. Besonders hervorgehoben wurden dabei ein erweitertes Verständnis und eine geschärfte Wahrnehmung (75 %) sowie eine vertiefte Selbstreflexion (58,3 %) in Bezug auf das eigene gestalterische und soziale Denken und Handeln. Die Vorträge erwiesen sich für viele Teilnehmer*innen auch als konkrete Unterstützung bei der Konzeptentwicklung und theoretischen Fundierung eigener Entwürfe. Rund 80 % zeigten hier eine positive Tendenz. Die Frage nach der Bedeutung gesellschaftlicher Diskursformate an Hochschulen beantworteten 99 % der Befragten mit »sehr wichtig«. Die Ergebnisse unterstreichen somit deutlich den Wunsch nach einer gestalterischen Ausbildung, die soziale Relevanz, kritische Reflexion und Praxisbezug systematisch integriert. Für kommende Semester wünschten sich die Teilnehmenden verstärkte Auseinandersetzungen mit Themen wie Klassismus und Rassismus, Planet Centered Design sowie Bildungsaufstieg, Armut und Bildungsungerechtigkeit. Themen, die den gesellschaftlichen Auftrag von Design als soziale Praxis deutlich erweitern.

Die DIPLOMAdesignDIALOGE leisten damit nicht nur einen Beitrag zur wissenschaftlich fundierten Lehr- und Lernentwicklung im akademisches Angebot zum Diskurs, sondern stärken auch die Forschungs- und Sichtbarkeitsaktivitäten der DIPLOMA Hochschule im Kontext gesellschaftsorientierter Gestaltung. In zwei Jahren sollen sich die DIPLOMAdesignDIALOGE als ein etabliertes, diskursives Format innerhalb der DIPLOMA Hochschule fest verankert haben. Die DIPLOMA Hochschule zeigt durch derartige Veranstaltungen ihr Engagement für „Social Design“ im Rahmen des „Social Discourse“ und zeigt somit Verantwortung und positioniert sich in einer sich zu spalten neigenden Gesellschaft. Wir tun was dagegen!

Hier der Link zu den aktuellen Vorträgen der DIPLOMAdesignDIALOGE: https://www.diploma.de/aktuelles/vortragsreihe-diplomadesigndialoge-health-and-design

 

 

 

Neuen Kommentar hinzufügen

Target Image