Nachhaltigkeit im Designmodellbau: Forschung von Karina Michaelis zu ökologischen Perspektiven in der gestalterischen Lehre
Verfasst von Karina Michaelis
Nachhaltigkeit gewinnt in der Designausbildung zunehmend an Bedeutung und entwickelt sich zu einem zentralen Forschungsfeld innerhalb der gestalterischen Lehre. Im Rahmen der Weiterbildung Expert in Sustainability an der ecosign – Akademie für Nachhaltiges Design in Köln wurde ein Themenfeld untersucht, das
die Schnittstelle von ökologischer Verantwortung und didaktischer Gestaltung in den Blick nimmt. Unter dem Titel „Nachhaltigkeit im Designmodellbau. Ökologische Perspektiven und didaktische Szenarien im Kontext einer ressourcenschonenden Gestaltungslehre – exemplarisch untersucht am Tiefziehprozess (Warmformen)“ stand die Frage im Zentrum, wie modellbaubezogene Herstellungsprozesse unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien reflektiert und in die Designausbildung integriert werden können. Die Untersuchung griff dabei zentrale Konzepte wie die planetaren Belastungsgrenzen, die Sustainable Development Goals (United Nations 2015: 41) und zirkuläre Wertschöpfungsketten (Ellen MacArthur Foundation 2019: 68) auf, um die Rolle des Designs in der ökologischen Transformation kritisch zu hinterfragen und neu zu positionieren.
Gerade im Designmodellbau und in der Materialkunde zeigt sich, dass diese Themenfelder ein erhebliches Potenzial besitzen, Nachhaltigkeit nicht nur theoretisch zu vermitteln, sondern in praktischen Prozessen erlebbar zu machen. Forschung aus der Designpädagogik weist darauf hin, dass Lernen im Designkontext besonders dann wirksam wird, wenn es mit erfahrungsbasierten, praxisnahen Szenarien verbunden ist (Findeli, 2001; Irwin, 2015). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Ausbildung zukünftiger Designer:innen weit über technische und gestalterische Fähigkeiten hinausgehen muss. Sie eröffnet vielmehr die Möglichkeit, nachhaltige Denk- und Handlungsmuster frühzeitig zu verankern und damit zu einer tiefgreifenden Veränderung der Profession beizutragen. Nachhaltigkeit wird damit nicht als ergänzendes Element, sondern als integraler Bestandteil einer zeitgemäßen und verantwortungsbewussten Designpädagogik sichtbar.
Eine besondere Relevanz erhält dieser Forschungsansatz in Bezug auf die Materialbibliothek des Studiengangs Craft Design an der DIPLOMA Hochschule. Durch die Integration ökologischer und systemischer Perspektiven kann die Materialbibliothek zu einem Ort werden, an dem Materialien nicht nur hinsichtlich ihrer ästhetischen und funktionalen Eigenschaften untersucht, sondern auch in Hinblick auf Lebenszyklen, Umweltwirkungen und Kreislaufstrategien bewertet werden (Ashby 2013: 408). Nachhaltigkeitskriterien wie CO₂-Fußabdruck, Rezyklierbarkeit oder Herkunft lassen sich als neue Bewertungsdimensionen etablieren.
Die Erkenntnisse aus der Weiterbildung eröffnen darüber hinaus Perspektiven für die Entwicklung neuer hochschulübergreifender Lehrformate. So erscheint die Konzeption eines berufsbegleitenden Zertifikatskurses Sustainable Design nicht nur realistisch, sondern auch zukunftsweisend. Ein Blended-Learning-Ansatz, der Online-Vorlesungen, Projektarbeit sowie praxisorientierte Materialstudien in der Materialbibliothek miteinander kombiniert, könnte Berufstätige, Studierende verschiedener Fachrichtungen und Lehrende gleichermaßen ansprechen. Thematisch würde ein solcher Kurs zentrale Inhalte wie ökologische Materialkunde, systemisches Denken, gesellschaftliche Verantwortung sowie Werkzeuge der Nachhaltigkeitsbewertung (u. a. Life Cycle Assessment, Material Scouting) aufgreifen und zugleich projektorientiert mit den Sustainable Development Goals verknüpfen. Ein Alleinstellungsmerkmal der DIPLOMA Hochschule bestünde darin, die Materialbibliothek als praxisnahen Ort in den Kurs einzubinden und auf diese Weise Theorie und Anwendung eng miteinander zu verzahnen. Ergänzend könnte der Zertifikatskurs mit ECTS-Punkten versehen werden und so eine Brücke zwischen Weiterbildung und akademischer Lehre schlagen.
Die Forschungsergebnisse entfalten darüber hinaus eine hochschulstrategische Dimension im Kontext der »Nachhaltigen Hochschule«. Die systematische Integration ökologischer Perspektiven in die Lehre kann als Ausgangspunkt für interdisziplinäre Projekte dienen, die verschiedene Fachbereiche der Hochschule miteinander verbinden. Denkbar sind etwa fakultätsübergreifende Workshops zu SDG-relevanten Fragestellungen, Kurzschulungen in Materialkunde oder Kooperationen mit anderen Hochschulen wie der HAWK Hildesheim oder der Universität Vechta, um gemeinsame Forschungs- und Lehrprojekte im Bereich nachhaltigen Designs zu entwickeln.
Insgesamt verdeutlicht das Forschungsprojekt, dass die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit im Designmodellbau weit über technische Optimierungen hinausgeht. Sie erfordert vielmehr eine systemische Betrachtung, die pädagogische Verantwortung, ökologische Prinzipien und gesellschaftliche Transformation miteinander verknüpft. Damit eröffnet sich die Chance, die gestalterische Lehre nicht nur zukunftsfähig, sondern auch richtungsweisend für eine nachhaltige Entwicklung in Design und Gesellschaft zu positionieren.
Literatur
Ashby, M. (2013). Materials and Sustainable Development. Oxford: Butterworth-Heinemann.
Ellen MacArthur Foundation (2019). Completing the Picture: How the Circular Economy Tackles Climate Change. Cowes: Ellen MacArthur Foundation.
Findeli, A. (2001). Rethinking design education for the 21st century: Theoretical, methodological, and ethical discussion. Design Issues. 5–17.
Irwin, T. (2015). Transition Design: A proposal for a new area of design practice, study, and research. Design and Culture. 229–246.
United Nations (2015). Transforming our world: The 2030 Agenda for Sustainable Development. New York: United Nations.